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Dieter Zetsche und die Zerstörung
Was Disruption mit Veränderung zu tun hat – und was Dieter Zetsche dazu meint
In einem Interview der „WirtschaftsWoche“ sagte Daimler-Boss Dieter Zetsche kürzlich ein paar interessante Sätze zur Disruption: „Wir leben in einer disruptiven Welt. Wir wollen lieber der Disruptor sein als der Disruptierte. Bevor wir angegriffen werden, wollen wir uns (sic!) lieber selbst angreifen. Andere werden es schließlich auch tun. Es geht darum, dass wir selbst erfolgreicher angreifen, als andere dies tun werden.“ Hm. Da denkt man gleich an die blöde Redewendung: „Aus Angst vor dem Tod brachte er sich um.“ Aber Dieter Zetsche hat damit wohl eher gemeint, dass sein Unternehmen sich nicht auf der aktuellen Erfolgsbilanz ausruhen darf, sondern einiges auf den Kopf stellen muss (und will), um zu überleben und zukunftsfähig zu sein.
Das Bild des „Angriffs“ und der „Disruption“ (Zerstörung) ist nichts Ungewöhnliches, wenn es um den Kampf um Marktanteile geht. Bis zu „Kriegserklärungen“ ist dann auch nicht mehr weit.
Angesichts der realen Schlachtfelder, die man derzeit erlebt, gerät man aber doch ein wenig durcheinander. Schließlich erklären ja gerade ziemlich viele irgendjemanden den Krieg: Der sogenannte Islamische Staat dem Westen, und der Westen dem Terrorismus. Amokläufer und Selbstmord-Attentäter erst Unschuldigen und dann sich selbst. Der türkische Präsident Erdogan Teilen seines Volkes. Populisten im Internet den „Gutmenschen“, der „Lügenpresse, den „Ausländern“.
Ob es da vielleicht einen Zusammenhang: zwischen „echten“ Kriegen, die Menschenleben fordern, Wirtschafts- und Handelskriegen, dem Protektionismus, nationaler Abschottung und Verbal-Radikalismus in den sozialen Medien gibt?
Das Muster, das einem Krieg zugrunde liegt, ist: „Ich gegen einen anderen – und siegen kann nur einer (nämlich ich).“ Dass dieses Muster in der westlichen (kapitalistischen) Tradition besonders tief verwurzelt sein könnte, hat der japanische Zen-Buddhist D. T. Suzuki mit seinem schönen Bonmot über die christliche Religion zum Ausdruck gebracht: „Gott gegen Mensch. Mensch gegen Gott. Mensch gegen Natur. Natur gegen Mensch. Natur gegen Gott. Gott gegen Natur. Komische Religion.“
Eine freiheitliche Gesellschaft muss sich manchmal auch mit Gewalt gegen ihre Zerstörung wehren. Die Wirtschaft aber lebt vom Wettbewerb. Vielleicht sollte man stärker darauf achten, dass der nicht zum Krieg wird. Dann können die Verlierer nicht nur weiterleben, sondern beim nächsten Mal auch gewinnen.
P.S. In dem Interview der „WirtschaftsWoche“ hat Dieter Zetsche noch mehr gesagt. Vor allem, wie Daimlers Angriff auf sich selbst aussehen soll: Da geht es um „Agilität“ und „Schwarm“, weniger Führung und mehr Vertrauen; und das alles ist nichts weniger als eine „Kulturrevolution“. Es wird spannend sein zu beobachten, wie der erfolgreiche Auto-Manager und sein Unternehmen das umsetzen werden.
Foto: Lukas Gojda/Fotolia