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Gott und Geld
500 Jahre Reformation – ein etwas anderer Blick
„Der Anti-Kapitalist“ – unter diesem Titel schreibt Ralph Bollmann in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) vom 30.10.2016 einen klugen Artikel über Martin Luther und dessen schwieriges Verhältnis zum Geld. Der Reformator – dessen Thesenanschlag vor 499 Jahren die evangelische Kirche von heute (31.10.2016) an ein Jahr lang feiert – und seine Theologie seien mit dafür verantwortlich, dass evangelische Christen bis in die Gegenwart eine tiefe Abneigung gegen wirtschaftlichen Erfolg verspürten. Ralph Bollmann wendet sich damit auch gegen die „genial falsche“ These des Soziologen Max Webers, wonach es vor allem der Geist des Calvinismus gewesen sei, der die Entstehung der modernen kapitalistischen Wirtschaftsordnung entscheidend befördert habe.
Die Argumente des FAS-Autoren gegen Webers These zu Martin Luther vermögen nicht ganz zu überzeugen. So wird der zentrale theologische Hintergrund des calvinistischen Glaubens, die sogenannte Prädestinationslehre, nicht einmal erwähnt: Ihr zufolge steht vom Anfang der Zeiten an schon Gottes Ratsschluss fest, wer auserwählt und wer verdammt sei; und durch ein erfolgreiches Leben könne man zumindest vorausahnen, ob man zu den Glücklichen gehöre – eine mächtige Triebfeder, um als Unternehmer Reichtum zu streben.
Doch davon abgesehen trifft es zu, dass (evangelische) Christen auch heute noch recht schnell wissen, was „gut“ und was „böse“ ist in der Wirtschaft. Gewinnorientiertes Unternehmertum hat es deshalb bei „Kirchens“ eher schwer, unterdrückte und ausgebeutete „ArbeitnehmerInnen“ dagegen sind per se auf der richtigen Seite. Abgesehen davon, dass die Kirche als Arbeitgeber und Wirtschaftsorganisation dennoch ganz selbstverständlich auch unternehmerisch agiert (und dabei – wie vor ein paar Jahren in der Finanzkrise – auch nebenbei mal eben einen gut Teil ihrer Altersrücklagen in windigen Finanzgeschäften mit „Heuschrecken“ verbrennt): Dieser Dualismus ist nicht zielführend.
Denn die Arbeitswelt ist längst mehr als die Dyade zwischen „Herr“ und „Knecht“. Arbeitsbeziehungen sind vernetzter, flexibler und damit offener geworden. Darauf zu reagieren wäre eine wirksamere Herausforderung für die Kirche. Das könnte sie sogar: Wenn sie sich etwa die Mühe machen würde, die Bibel nicht nur als Buch der Befreiung von Leid und Unterdrückung zu lesen, sondern in den vielen Geschichten und Gleichnissen auch Impulse und Perspektiven für, ja, modernes Management zu entdecken. Man könnte es spirituelles Führungswissen nennen, wenn’s nicht so abgedroschen klänge. Jedenfalls ein tiefes Verständnis dafür, wie ich mich selbst, mein Team, mein Unternehmen führen sollte, damit es – um es ein wenig fromm auszudrücken – mir und der Welt zum Guten gereicht.
Die Bibel (und andere religiöse Traditionen) daraufhin zu lesen, wird in den kommenden Monaten immer mal wieder Bestandteil des „Stöhr-Senders“ sein. Ganz im Sinne von Martin Luther, bleibt doch unabhängig von der Frage seiner ökonomischen Kompetenz die Wiederentdeckung der Heiligen Schrift eins seiner größten Verdienste. Wenn Sie das Thema interessiert, schauen Sie also einfach regelmäßig vorbei!